… und noch einmal: Was für eine Moral
„Einen langen Krieg ertragen wenige, ohne seelisch zu verderben; einen langen Frieden erträgt niemand.“ Vielleicht erklärt diese Äußerung Oswald Spenglers, des großen deutschen Kulturphilosophen, warum es mit den westlich-abendländischen Kulturen moralisch und politisch stetig bergab geht.
Wohlstand für alle – das war einmal der Traum von Ludwig Erhard, dem ersten deutschen Wirtschaftsminister nach dem Zweiten Weltkrieg und späteren Bundeskanzler. Heute ist seine Partei die Klientelpartei der Reichen und Befürworterin von Steuerabkommen, die Steuerflüchtlinge und Steuerhinterzieher begünstigen. Die Sozialdemokraten unter Gerhard Schröder haben zusammen mit den Grünen ein Verarmungsprogramm auf den Weg gebracht, das mittlerweile Millionen Mitbürgerinnen und Mitbürger in prekäre Beschäftigungen gedrängt hat und sie dadurch von der Teilnahme am sozial-kulturellen Leben ausschließt. Die Lobbyvereine der Wirtschaft bestimmen maßgeblich die Gesetzgebung gegen die Interessen der Bevölkerung.
Die Gesellschaft ist gespalten, zerrissen. Immer mehr Mitbürgerinnen und Mitbürger werden von einer kleinen polit-ökonomischen Herrschaftsklasse nur noch als Mittel zum Zwecke skrupelloser Bereicherung behandelt. In zahlreichen Ländern der Eurozone hat die Banken- und Staatsschuldenkrise diese Entwicklung noch erheblich verstärkt. Es scheint, daß sich die kapitalistischen Wahldemokratien westlich-abendländischer Prägung, die zutreffender beutekapitalistische Lobbydemokraturen genannt werden sollten, auf dem Wege in die Plutokratie befinden.
„Durch das Geld vernichtet die Demokratie sich selbst, nachdem das Geld die Freiheit vernichtet hat“ , schrieb Oswald Spengler vor mehr als einem halben Jahrhundert, „die privaten Mächte der Wirtschaft wollen freie Bahn für ihre Eroberung großer Vermögen. Keine Gesetzgebung soll ihnen im Wege stehen. Sie wollen die Gesetze machen, in ihrem Interesse, und sie bedienen sich dazu eines selbstgeschaffenen Werkzeugs, der Demokratie, der bezahlten Partei.“
Der Staatsrechtler Herbert von Arnim schreibt im Tagesspiegel vom 17.12.11: „Faßt man das Ganze ins Auge, so erkennt man eine politische Klasse, die sich nach dem Motto „der Staat sind wir“ von den Bürgern abschottet und eine neue Form des Absolutismus bildet, einen parteienstaatlichen Absolutismus.“ Und weiter: „Hierher gehören auch die Entwicklungen in der Europa- und Währungsunion, insbesondere die Verletzungen des EU-Rechts bei der Entstehung der Euro-Krise und bei den Versuchen, sie zu bewältigen. Das Bundesverfassungsgericht hat es in seinem Rettungsschirm-Urteil vom 7. September 2011 abgelehnt, darüber zu entscheiden, ob der Rettungsschirm gegen Europarecht verstößt, obwohl dies ziemlich offensichtlich ist, und zum Europäischen Gerichtshof haben Bürger und Steuerzahler kein Klagerecht.“
Was leisten eigentlich die Politiker für die Verbesserung der Moral? Sind sie Vorbilder?
Die Antwort ergibt sich aus ihrer Arbeit von selbst. Hier wenige Beispiele: Überversorgte Politiker kürzen Sozialleistungen und Renten. Aus der andiskutierten überfälligen vollständigen Offenlegung der Nebeneinkünfte der Parlamentarier ist bis heute nichts geworden. Banken und Staaten werden weiterhin auf Kosten der Bevölkerung und zu Lasten der gerettet anstatt zu Lasten der Verursacher der Malaise. Vorstände und Aufsichtsräte kassieren weiterhin völlig überzogene Gehälter, Boni und Altersversorgungen. Von Steuergerechtigkeit und auskömmlichen Renten für alle Bürgerinnen und Bürger ist weit und breit keine Rede, ebenso nicht vom Abbau unsinniger Subventionen.
„Parlamentsabgeordnete sind Menschen, die sich in erster Linie ihrem Eigenwohl, dann der Parteiräson und zuletzt dem Staat verpflichtet fühlen. Das Wohl derer, deren Interessen sie eigentlich zu vertreten hätten, interessiert sie nur insofern als ihre Wiederwahl in Frage steht“ charakterisiert Prof. Querulix im Volksmund diejenigen, die ihrer Verantwortung für das allgemeine Wohl der Bevölkerung notorisch nicht gerecht werden.
Daß auch in der Bevölkerung angesichts dieser Zustände Anstand und Moral allmählich den sprichwörtlichen Bach hinuntergehen, wundert da niemanden mehr.
Glücklicherweise ist das geplante Steuerabkommen der Bundesregierung mit der Schweiz gescheitert. Es gibt also noch Widerstand gegen die absolute Herrschaft des großen Geldes. Vielleicht wird man im Kreis der Bundestagsabgeordneten ja auch noch klüger und beseitigt die legalen, aber illegitimen wie auch illegalen Steuervermeidungsmöglichkeiten, von denen es dank der Regierungsarbeit der letzten Jahrzehnte für Reiche Privatleute und für Unternehmen ja mehr als genug gibt. Wenn angesichts der Dynamik der Entwicklung im Steuervollzug auch schon Berufssportler und Wurstfabrikanten aufgeschreckt werden, ist sicherlich ein klein wenig Hoffnung berechtigt.
Es wird aber auch höchste Zeit, wenn unsere Gesellschaft in Frieden und Freiheit überleben soll. Folgt man allerdings Spenglers Kulturtheorie, die sich in den fast hundert Jahren seit ihrer Veröffentlichung immerhin gut bewährt hat, ist die Hoffnung allerdings trügerisch.
Das ahnt wohl auch Prof. Querulix, von dem ein kleines diesen Beitrag abschließen soll.
Menschenrudel Staat
Freunde bedienen,
für das Eigenwohl sorgen:
Das ist Politik.
Wohlfeil arbeiten,
schweigen und Steuern zahlen:
Das tun die Schafe.
Stets auf Beute aus,
eigenen Vorteil suchend:
So sind die Wölfe.
Wen‘gen Paradies,
vielen mühsam‘ Plackerei:
Menschenrudel Staat.
(Prof. Querulix)
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